Revision der Altlastengesetzgebung in der Schweiz
In der Schweiz wurde die Vernehmlassung der letzten Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) Ende 2021 abgeschlossen. Die parlamentarische Beratung dazu läuft seit Dezember 2022. Ein Teilbereich der Revision betrifft auch Altlasten.
Beispielbild Landschaf ©M. Semadeni
Neben verschiedenen Punkten gaben Herausforderungen bei der Wiederverwertung von standorteigenem, belastetem Aushubmaterial Anlass zu notwendigen Anpassungen in der Altlastenverordnungen, dessen Revision von Juni bis Oktober 2023 der Vernehmlassung zugeführt wurde. Entsprechende Auslöser waren bspw. der zukünftige Umgang mit hunderttausenden Tonnen von belastetem Aushubmaterial pro Jahr im Hinblick von immer mehr eingeschränkt verfügbarem Deponieraum und der zu fördernden Kreislaufwirtschaft. Dabei stellt sich die Frage inwiefern die Anforderungen für eine Wiederverfüllung von standorteigenem, leicht belastetem Aushubmaterial (Typ B) im Hinblick auf neue Schadstoffklassen, wie bspw. die PFAS, mit extrem tiefliegenden Grenzwerten kaum mehr hilfreich zur Reduzierung von Deponieablagerungsraten sein würden. Im Weiteren führen extrem tiefe Grenzwerte zu steigenden Umweltauswirkungen energieintensiver thermischen Behandlungen, um bspw. PFAS im belasteten Aushubmaterial zerstören zu können.
Ein «Vorschlag höherbelastetes Material als Typ B am Standort wiedereinbauen zu dürfen, sofern dargelegt werden kann, dass diese Praxis nicht wieder zu einem späteren Sanierungsbedarf führen kann» (Erläuternder Bericht zur Änderung der Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (Altlasten-Verordnung, AltlV, SR 814.680) von Juni 2023) soll mit einer Anpassung des Artikel 18 der AltlV, 5. Abschnitt ‘Sanierungen’, umgesetzt werden.
Der alte Art. 18 zur Festlegung der erforderlichen Sanierungsmassnahmen beinhalte 2 Absätze wie folgt:
Absatz 1; die Behörde beurteilt das Sanierungsprojekt. Sie berücksichtigt dabei insbesondere:
a. die Auswirkungen der Massnahmen auf die Umwelt;
b. deren langfristige Wirksamkeit;
c. die Gefährdung der Umwelt durch den belasteten Standort vor und Sanierung;
d. bei nicht vollständiger Dekontamination die Kontrollierbarkeit der Massnahmen, die Möglichkeit zur Mängelbehebung sowie die Sicherstellung die vorgesehenen Massnahmen erforderlichen Mittel;
e. ob die Voraussetzungen zum Abweichen vom Sanierungsziel 15 Absätze 2 und 3 erfüllt sind.
Absatz 2; gestützt auf die Beurteilung legt sie in einer Verfügung insbesondere fest:
a. die abschliessenden Ziele der Sanierung;
b. die Sanierungsmassnahmen, die Erfolgskontrolle sowie die einzuhaltenden Fristen;
c. weitere Auflagen und Bedingungen zum Schutz der Umwelt.
Neu wird ein Absatz 3 beigefügt mit Wortlaut:
Absatz 3; die Behörde kann ausnahmsweise und mit Zustimmung des BAFU den Wiedereinbau von belastetem Aushubmaterial, das die Anforderungen an die Verwertung von Aushubmaterial nach Artikel 19 der Abfallverordnung vom 4. Dezember 2015 nicht erfüllt, für den Standort, an dem das Material anfällt, genehmigen, wenn:
a. dadurch die Umwelt gesamthaft weniger belastet wird; und
b. nachgewiesen ist, dass das wiedereingebaute Aushubmaterial nicht zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen führt oder nicht die konkrete Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen entstehen.
Meines Erachtens fehlt jedoch eine zusätzliche Ziffer/Buchstabe im Sinne von:
c. dargelegt wird, dass - im Rahmen nachhaltiger Sanierungslösungen und zukünftiger Optionen über die Förderung der Kreislaufwirtschaft - temporäre, gesicherte Anlagen am Standort zur Umlagerung von diesen kontaminierten Aushubmaterialien die Umwelt gesamthaft weniger belastet (Bau und zeitlich limitierte Nutzung, gesicherter Umlagerungsbauten/hallen).
Eine Nutzung von gesicherten Umlagerungsbauten über einen längeren Zeithorizont wäre also nur dann bewilligungsfähig, wenn dargelegte Aussicht auf neue Verwertungs- und/oder Behandlungsverfahren vorlägen (z.B. mit Hilfe Technologieförderung).
In der Sanierungsvariantenstudie (Art. 17) wäre die Erörterung von Umlagerungsbauten durchzuführen, um aufzuzeigen, inwiefern der Gesamtumweltnutzen und die Kosten im Sinne der Wirtschaftlichkeit verbessert werden sowie die Sozialverträglichkeit gegeben ist (vgl. Verhältnismässigkeitsprinzip USG). Die Überprüfung dessen würde wie vorgesehen über das Gesuchsverfahren Art. 18 durch die Behörde erfolgen. Unverzichtbare methodische Grundlagen zur Bewertung, wie die Ökobilanzierung und Gefährdungsabschätzung, wären selbstverständlich Voraussetzung um, nach einer ersten grundsätzlichen Klärung der Bewilligungsfähigkeit, das Gesuch zur Erstellung und zur Nutzung der Umlagerungsbauten erfolgreich weiterführen zu können.
In Deutschland wird die Praxis von Umlagerungsbauten schon praktiziert, wobei die rechtliche Grundlage relativ weit hergeholt erscheint, etwa wird die Sachlage aus dem Management von angefallenen oder anfallenden Bergbaureststoffen entlehnt und basiert entsprechend auf dem «Bundesberggesetz (BBergG) in Verbindung mit der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau)»– vgl. ‘Konzept zu flächensparenden Übertageanlagen im zukünftigen Bergbau (TP 2.4)’ -Abschlussbericht 12.6.2020, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, gefördert durch den europäischen Fonds für Regionalentwicklung.
Wie im erläuternden Bericht zur AltlV-Revision vom Juni 2023 erklärt, sind die Vorsetzungen für die Anwendung von Art 18 Abs 3 in der Regel gegeben, wenn es sich um die Sanierung von Industriestandorten, grossen Aushubvolumina oder wenn es keine inländischen oder ausländischen Anlagen zur wirksamen Behandlung der Materialien mit verhältnismässigem Aufwand gibt. Zu erwähnen wäre aber auch, dass ubiquitär vorkommende und teilweise stark verbreitete Belastungen von Böden mit den neuen Schadstoffen wie PFAS, dessen extrem tiefen Grenzwerte heute messbar sind, den Einsatz von Umlagerungsbauten nach Art 18 Abs 3 «Buschstabe c.» in der Regel ermöglicht würde. Rechtlich herausfordernd dürfte jedoch sein, dass weitverbreitete Vorkommen solcher Belastungen, gar über Landschaften hinweg, einerseits schwer abzugrenzen sind (was jedoch notwendig für die Definition eines ‘belasteten Standorts’ ist) und andererseits dennoch bei einer Bebauung dieser Flächen zu weiter steigenden, jährlichen Aushubmaterialmengen führen würden (durch Bauprojekte ausgelöste Sanierungen/Dekontaminationen); Abfallmengen, welche ohne rechtliche Grundlage nicht verwertet und/oder längerfristig zwischengelagert werden könnten.